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MÄRCHEN

Der Hase und der Igel
Ein Märchen der Brüder Grimm
Es war einmal ein Igel, der machte an einem Sonntagmorgen im Herbst einen Spaziergang. Die Sonne schien hell vom Himmel, der Morgenwind wehte sanft über die Stoppelfelder und die Vögel sangen ihr Morgenlied. Der Igel knabberte an einer Steckrübe und freute sich, dass noch viele davon in der Erde wuchsen, denn davon ernährte er sich und seine Familie zurzeit.
Plötzlich entdeckte er einen Hasen, der am Kohl knabberte und seine Ohren hoch in die Luft streckte. Der Igel grüßte ihn mit einem freundlichen „Guten Morgen!“ Doch der Hase war zu stolz um einen Igel zu grüßen und fragte ihn verächtlich: „Was machst du denn so früh in den Feldern?“ „Ich gehe spazieren“, antwortete der Igel.Spöttisch lachte der Hase: „Du solltest deine krummen Beine lieber schonen.“ Der Igel mochte es nicht, wenn jemand über seine Beine lachte, und wurde wütend. „Du denkst wohl, dass du mit deinen Beinen schneller bist als ich.“ „Das ist doch wohl klar“, erwiderte der Hase und machte einige Hasenstreckübungen.
Der Igel aber stellte seine Stacheln auf und dachte nach. „Lass uns einen Wettlauf machen“, schlug er vor. Der Hase willigte sofort ein. „Wir treffen uns morgen hier am Baum und dann geht’s los“, sagte der Igel und ging gut gelaunt nach Hause. Im kleinen Igelhaus hinter dem Berg wartete schon die Igelfrau. Der Igel erzählte ihr von seiner Begegnung mit dem Hasen. „Der verlässt sich auf seine starken Beine, aber ich werde ihn überlisten.“
„Oje, oje“, jammerte die Igelfrau. „Hast du den Verstand verloren? Du kannst doch nicht mit einem Hasen um die Wette laufen.“ „Doch! Mit dir gemeinsam werde ich den Hasen besiegen. Du musst nur immer am Zielort bleiben und ,Ich bin schon hier‘ rufen, wenn der Hase ankommt, weiter nichts.“
Am nächsten Morgen, als die Sonne aufging, brachte der Igel seine Frau zum Ziel der Wettlaufstrecke auf dem Rübenacker. Er selbst eilte zum Baum und sah den Hasen, der schon seine Hasenstreckübung machte. „Kann es losgehen?“, fragte der Hase. „Jawohl!“, antwortete der Igel, und so stellte sich jeder in seine Furche. Der Hase zählte: „Eins, zwei, drei“, und rannte los, schnell wie ein Sturmwind. Der Igel aber lief nur drei Schritte und versteckte sich dann in der Furche.
Als nun der Hase in vollem Lauf am Ziel ankam, rief ihm die Igelfrau entgegen: „Ich bin schon hier!“ Der Hase stutzte und dachte, dass das doch nicht mit rechten Dingen zugehen konnte. Er rief: „Los, wir laufen noch mal“, und rannte zurück zum Baum. Hier stand der Igel und rief ihm entgegen: „Ich bin schon hier!“ Ganz außer sich vor Ärger schimpfte der Hase: „Wir laufen noch einmal!“ „Sooft du willst“, antwortete der Igel, und so rannte der Hase hin und her, und immer war der Igel schon vor ihm da.
Beim vierundsiebzigsten Mal kam der Hase nicht mehr am Ziel an. Er fiel um und konnte lange nicht mehr aufstehen. „Nie wieder laufe ich mit einem Igel um die Wette“, sagte er zu sich selbst, „und ich werde auch nie wieder über seine Beine spotten.“
Der Igel und seine Frau aber saßen glücklich unter dem Baum und freuten sich, dass sie es gemeinsam geschafft hatten, den Hochmut des Hasen zu brechen. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann lachen sie noch heut

„Der Froschkönig”
Ein Märchen der Brüder Grimm
Es war einmal ein König, der hatte drei Töchter, die alle wunderschön waren. Die jüngste aber war von allen die schönste und die sanfteste. An einem besonders heißen Tag im Sommer spielte die Prinzessin mit ihrer goldenen Kugel am liebsten im Wald an einem kühlen Brunnen.
Einmal aber warf sie die Kugel hoch in die Luft und fing sie nicht wieder auf; die Kugel landete im Brunnen und versank in der Tiefe. Das Mädchen wurde traurig und weinte um die verlorene Kugel. Plötzlich streckte aber ein hässlicher Frosch den Kopf aus dem Wasser und schaute die Prinzessin an. Er sagte: „Weine nicht, liebe Prinzessin. Ich kann dir deine Kugel wiederholen, wenn du willst. Was gibst du mir dafür?“ und die Prinzessin versprach ihm ihre teuren Kleider, den Schmuck und auch die Krone, die sie trug. Der Frosch aber wollte das alles nicht. Er sagte: „Ich will nur dein Spielkamerad sein. Neben dir am Tisch sitzen, von deinem Teller essen und in deinem Bett schlafen. Dann hole ich dir deine Kugel.“
Das Mädchen versprach es ihm und der Frosch tauchte den Brunnen hinunter. Nach einer Weile kam er wieder an die Oberfläche und hatte tatsächlich die Kugel bei sich. Die Prinzessin freute sich sehr, nahm die Kugel und lief übermütig nach Hause, ohne an den Frosch zu denken.
Am nächsten Tag, als sie mit ihrem Vater und ihren Schwestern bei Tische saß, klopfte es auf einmal an der Tür und eine Stimme rief: „Königstochterjüngste, mach mir auf!“ Als sie nachsah, wer dort saß, erkannte sie den Frosch. Ihr Vater fragte, wer beim Essen störe und so erzählte sie ihm die ganze Geschichte.
Der Vater erklärte ihr, dass sie ihr Versprechen schon halten müsste und so ließ sie den Frosch herein und setzte ihn neben sich an den Tisch. Sie ließ ihn auch von ihrem Teller essen, aber als er in ihrem Bett schlafen sollte, ekelte sie sich furchtbar. Der König aber bestand darauf und erinnerte sie daran, dass sie schließlich ihr Wort gegeben hatte und der Frosch ihr immerhin helfen musste.
Sie nahm ihn mit in ihr Zimmer, aber als die Türen geschlossen waren, wurde sie wütend, nahm den Frosch und warf ihn an die Wand. Als er herabfiel, verwandelte er sich aber in einen schönen jungen Mann. Er erzählte ihr, dass er von einer bösen Hexe verwandelt worden war und nur die Prinzessin den Zauber lösen konnte. Sie heirateten und lebten glücklich im Reich des Prinzen.

„Der Wolf und die sieben Geißlein”
Ein Märchen der Brüder Grimm
Es war einmal eine alte Geiß, die hatte sieben junge Geißlein, und hatte sie lieb, wie eine Mutter ihre Kinder lieb hat. Eines Tages wollte sie in den Wald gehen und Futter holen, da rief sie alle sieben herbei und sprach: „Liebe Kinder, ich will hinaus in den Wald, seid auf eurer Hut vor dem Wolf, wenn er hereinkommt, so frißt er euch mit Haut und Haar. Der Bösewicht verstellt sich oft, aber an seiner rauhen Stimme und an seinen schwarzen Füßen werdet ihr ihn gleich erkennen." Die Geißlein sagten: „Liebe Mutter, wir wollen uns schon in acht nehmen, Ihr könnt ohne Sorge fortgehen." Da meckerte die Alte und machte sich getrost auf den Weg. Es dauerte nicht lange, da klopfte jemand an die Haustür und rief: „Macht auf, ihr lieben Kinder, eure Mutter ist da und hat jedem von euch etwas mitgebracht!"
Aber die Geißlein hörten an der rauhen Stimme, daß es der Wolf war. „Wir machen nicht auf", riefen sie", du bist unsere Mutter nicht, die hat eine feine und liebliche Stimme, aber deine Stimme aber ist rau; du bist der Wolf." Da ging der Wolf fort zu einem Krämer und kaufte sich ein großes Stück Kreide; er aß es auf und machte damit seine Stimme fein. Dann kam er zurück, klopfte an die Haustür und rief: „Macht auf, ihr lieben Kinder, eure Mutter ist da und hat jedem von euch etwas mitgebracht!" Aber der Wolf hatte seine schwarze Pfote in das Fenster gelegt, das sahen die Kinder und riefen: „Wir machen nicht auf, unsere Mutter hat keinen schwarzen Fuß, wie du; du bist der Wolf!" Da lief der Wolf zu einem Bäcker und sprach: „Ich habe mich an den Fuß gestoßen, streich mir Teig darüber." Als ihm der Bäcker die Pfote bestrichen hatte, so lief er zum Müller und sprach: „Streu mir weißes Mehl auf meine Pfote." Der Müller dachte: Der Wolf will einen betrügen, und weigerte sich; aber der Wolf sprach: „Wenn du es nicht tust, fresse ich dich!" Da fürchtete sich der Müller und machte ihm die Pfote weiß. Ja, so sind die Menschen. Nun ging der Bösewicht zum dritten Mal zu der Haustür, klopfte an und sprach: „Macht auf, Kinder, euer liebes Mütterchen ist heimgekommen und hat jedem von euch etwas aus dem Walde mitgebracht!" Die Geißlein riefen: „Zeig uns zuerst deine Pfote, damit wir wissen, daß du unser liebes Mütterchen bist." Da legte der Wolf die Pfote ins Fenster, und als sie sahen, daß sie weiß war, so glaubten sie, es wäre alles wahr, was er sagte, und machten die Türe auf. Wer aber hereinkam, war der Wolf. Die Geißlein erschraken und wollten sich verstecken. Das eine sprang unter den Tisch, das zweite ins Bett, das dritte in den Ofen, das vierte in die Küche, das fünfte in den Schrank, das sechste unter die Waschschüssel, das siebente in den Kasten der Wanduhr. Aber der Wolf fand sie alle und machte nicht langes Federlesen: eins nach dem andern schluckte er in seinen Rachen; nur das jüngste in dem Uhrkasten fand er nicht.
Als der Wolf seine Lust getilgt hatte, trollte er sich fort, legte sich draußen auf der grünen Wiese unter einen Baum und fing an zu schlafen. Nicht lange danach kam die alte Geiß aus dem Walde wieder heim. Ach, was mußte sie da erblicken! Die Haustür stand sperrweit auf, Tisch, Stühle und Bänke waren umgeworfen, die Waschschüssel lag in Scherben, Decke und Kissen waren aus dem Bett gezogen. Sie suchte ihre Kinder, aber nirgends waren sie zu finden. Sie rief sie nacheinander bei Namen, aber niemand antwortete. Endlich, als sie das jüngste rief, da rief eine feine Stimme: „Liebe Mutter, ich stecke im Uhrkasten." Sie holte es heraus, und es erzählte ihr, daß der Wolf gekommen wäre und die anderen alle gefressen hätte. Da könnt ihr denken, wie sie über ihre armen Kinder geweint hat! Endlich ging sie in ihrem Jammer hinaus, und das jüngste Geißlein lief mit. Als sie auf die Wiese kam, so lag da der Wolf an dem Baum und schnarchte, daß die Äste zitterten. Sie betrachtete ihn von allen Seiten und sah, daß in seinem angefüllten Bauch sich etwas regte und zappelte. Ach, Gott, dachte sie, sollten meine armen Kinder, die er zum Nachtmahl hinuntergewürgt hat, noch am Leben sein? Da mußte das Geißlein nach Hause laufen und Schere, Nadel und Zwirn holen. Dann schnitt sie dem Ungetüm den Wanst auf, und kaum hatte sie einen Schnitt getan, so streckte schon ein Geißlein den Kopf heraus, und als sie weiter schnitt, so sprangen nacheinander alle sechse heraus, und waren noch alle am Leben, und hatten nicht einmal Schaden erlitten, denn das Ungetüm hatte sie in der Gier ganz hinunter- geschluckt. Das war eine Freude! Da herzten sie ihre liebe Mutter, und hüpften wie Schneider, der Hochzeit hält. Die Alte aber sagte: „Jetzt geht und sucht Wackersteine, damit wollen wir dem gottlosen Tier den Bauch füllen, solange es noch im Schlafe liegt." Da schleppten die sieben Geißerchen in aller Eile die Steine herbei und steckten sie ihm in den Bauch, so viel als sie hineinbringen konnten. Dann nähte ihn die Alte in aller Geschwindigkeit wieder zu, daß er nichts merkte und sich nicht einmal regte. Als der Wolf endlich ausgeschlafen hatte, machte er sich auf die Beine, und weil ihm die Steine im Magen so großen Durst erregten, so wollte er zu einem Brunnen gehen und trinken. Als er aber anfing zu gehen und sich hin und her zu bewegen, so stießen die Steine in seinem Bauch aneinander und rappelten. Da rief er: „Was rumpelt und pumpelt in meinem Bauch herum? Ich meinte, es wären sechs Geißelein, doch sind's lauter Wackerstein." Und als er an den Brunnen kam und sich über das Wasser bückte und trinken wollte, da zogen ihn die schweren Steine hinein, und er mußte jämmerlich ersaufen. Als die sieben Geißlein das sahen, kamen sie eilig herbeigelaufen und riefen laut: „Der Wolf ist tot! Der Wolf ist tot!" und tanzten mit ihrer Mutter vor Freude um den Brunnen herum.

Die Bremer Stadtmusikanten
Ein Märchen der Brüder Grimm 1850
Es hatte ein Mann einen Esel, der ihm schon lange Jahre treu gedient hatte, dessen Kräfte aber nun zu Ende giengen, so daß er zur Arbeit immer untauglicher ward. Da wollte ihn der Herr aus dem Futter schaffen, aber der Esel merkte daß kein guter Wind wehte, lief fort und machte sich auf den Weg nach Bremen: „dort“, dachte er, „kannst du ja Stadtmusikant werden.“
Als er ein Weilchen fortgegangen war, fand er einen Jagdhund auf dem Wege liegen, der jappte wie einer, der sich müde gelaufen hat. „Nun, was jappst du so, Packan?“ fragte der Esel. „Ach“, sagte der Hund, „weil ich alt bin und jeden Tag schwächer werde, auch auf der Jagd nicht mehr fort kann, hat mich mein Herr wollen todt schlagen, da hab ich Reißaus genommen; aber womit soll ich nun mein Brot verdienen?“ „Weißt du was“, sprach der Esel, „ich gehe nach Bremen, dort Stadtmusikant zu werden, geh mit und laß dich auch bei der Musik annehmen. Ich spiele die Laute, und du schlägst die Pauke.“ Der Hund war zufrieden, und sie gingen weiter.
Es dauerte nicht lange, so saß da eine Katze an dem Weg und machte ein Gesicht wie drei Tage Regenwetter. „Nun, was ist dir in die Quere gekommen, alter Bartputzer?“ sprach der Esel. „Wer kann da lustig sein, wenns einem an den Kragen geht“, antwortete die Katze, „weil ich nun zu Jahren komme, meine Zähne stumpf werden, und ich lieber hinter dem Ofen sitze und spinne, als nach den Mäusen herum jage, hat mich meine Frau ersäufen wollen, ich habe mich zwar noch fortgemacht, aber nun ist guter Rath theuer: wo soll ich hin?“„Geh mit uns nach Bremen, du verstehst dich doch auf die Nachtmusik, da kannst du ein Stadtmusikant werden.“ Die Katze hielt das für gut und ging mit.
Darauf kamen die drei Landesflüchtigen an einem Hof vorbei, da saß auf dem Thor der Haushahn und schrie aus Leibeskräften. „Du schreist einem durch Mark und Bein“,sprach der Esel, „was hast du vor?“ „Da hab ich gut Wetter prophezeit“, sprach der Hahn, „weil unserer lieben Frauen Tag ist, wo sie dem Christkindlein die Hemdchen gewaschen hat und sie trocknen will: aber weil Morgen zum Sonntag Gäste kommen, so hat die Hausfrau doch kein Erbarmen, und hat der Köchin gesagt sie wollte mich Morgen in der Suppe essen, und da soll ich mir heut Abend den Kopf abschneiden lassen. Nun schrei ich aus vollem Hals, so lang ich noch kann.“ „Ei was, du Rothkopf“, sagte der Esel, „zieh lieber mit uns fort, wir gehen nach Bremen, etwas besseres als den Tod findest du überall; du hast eine gute Stimme, und wenn wir zusammen musicieren, so muß es eine Art habe.“ Der Hahn ließ sich den Vorschlag gefallen, und sie gingen alle viere zusammen fort.
Sie konnten aber die Stadt Bremen in einem Tag nicht erreichen und kamen Abends in einen Wald, wo sie übernachten wollten. Der Esel und der Hund legten sich unter einen großen Baum, die Katze und der Hahn machten sich hinauf, der Hahn aber flog bis in die Spitze, wo es am sichersten für ihn war. Ehe er einschlief, sah er sich noch einmal nach allen vier Winden um, da däuchte ihn er sähe in der Ferne ein Fünkchen brennen und rief seinen Gesellen zu es müßte nicht gar weit ein Haus sein, denn es scheine ein Licht.
Sprach der Esel „so müssen wir uns aufmachen, und noch hingehen, denn hier ist die Herberge schlecht“, und der Hund sagte „ja ein paar Knochen und etwas Fleisch daran, thäten mir auch gut.“ Nun machten sie sich auf den Weg nach der Gegend, wo das Licht war, und sahen es bald heller schimmern, und es ward immer größer, bis sie vor ein hell erleuchtetes Räuberhaus kamen.
Der Esel, als der größte, machte sich ans Fenster und schaute hinein. 'Was siehst du, Grauschimmel?' fragte der Hahn. „Was ich sehe?“ antwortete der Esel, „einen gedeckten Tisch mit schönem Essen und Trinken, und Räuber sitzen daran und lassens sich wohl sein.“ „Das wäre was für uns“ sprach der Hahn. „Ja, ja, ach, wären wir da!“ sagte der Esel. Da rathschlagten die Thiere wie sie es anfangen müßten, um die Räuber fortzubringen, bis sie endlich ein Mittel fanden. Der Esel mußte sich mit den Vorderfüßen auf das Fenster stellen, der Hund auf des Esels Rücken, die Katze auf den Hund klettern, und endlich flog der Hahn hinauf, und setzte sich der Katze auf den Kopf. Wie das geschehen war, fiengen sie insgesammt auf ein Zeichen an ihre Musik zu machen: der Esel schrie, der Hund bellte, die Katze miaute, und der Hahn krähte; dann stürzten sie durch das Fenster in die Stube hinein daß die Scheiben klirrten.
Die Räuber fuhren bei dem entsetzlichen Geschrei in die Höhe, meinten nicht anders als ein Gespenst käme herein und flohen in größter Furcht in den Wald hinaus. Nun setzten sich die vier Gesellen an den Tisch, nahmen mit dem vorlieb, was übrig geblieben war, und aßen als wenn sie vier Wochen hungern sollten. Wie die vier Spielleute fertig waren, löschten sie das Licht aus und suchten sich eine Schlafstätte, jeder nach seiner Natur und Bequemlichkeit. Der Esel legte sich auf den Mist, der Hund hinter die Thüre, die Katze auf den Herd bei die warme Asche, und der Hahn setzte sich auf den Hahnenbalken: und weil sie müde waren von ihrem langen Weg, schliefen sie auch bald ein.
Als Mitternacht vorbei war, und die Räuber von weitem sahen daß kein Licht mehr im Haus brannte, auch alles ruhig schien, sprach der Hauptmann „wir hätten uns doch nicht sollen ins Bockshorn jagen lassen“, und hieß einen hingehen und das Haus untersuchen. Der Abgeschickte fand alles still, gieng in die Küche, ein Licht anzuzünden, und weil er die glühenden, feurigen Augen der Katze für lebendige Kohlen ansah, hielt er ein Schwefelhölzchen daran, daß es Feuer fangen sollte.
Aber die Katze verstand keinen Spaß, sprang ihm ins Gesicht, spie und kratzte. Da erschrack er gewaltig, lief und wollte zur Hinterthüre hinaus, aber der Hund, der da lag, sprang auf und biß ihn ins Bein: und als er über den Hof an dem Miste vorbei rannte, gab ihm der Esel noch einen tüchtigen Schlag mit dem Hinterfuß; der Hahn aber, der vom Lärmen aus dem Schlaf geweckt und munter geworden war, rief vom Balken herab „kikeriki!“
Da lief der Räuber, was er konnte, zu seinem Hauptmann zurück und sprach „ach, in dem Haus sitzt eine gräuliche Hexe, die hat mich angehaucht und mit ihren langen Fingern mir das Gesicht zerkratzt: und vor der Thüre steht ein Mann mit einem Messer, der hat mich ins Bein gestochen: und auf dem Hof liegt ein schwarzes Ungethüm, das hat mit einer Holzkeule auf mich losgeschlagen: und oben auf dem Dache, da sitzt der Richter, der rief „bringt mir den Schelm her“. Da machte ich daß ich fortkam.“
Von nun an getrauten sich die Räuber nicht weiter in das Haus, den vier Bremer Musikanten gefiels aber so wohl darin, daß sie nicht wieder heraus wollten. Und der das zuletzt erzählt hat, dem ist der Mund noch warm.

„Der gestiefelte Kater”
Ein Märchen der Brüder Grimm
Es war einmal ein Müller, der hatte drei Söhne, seine Mühle, einen Esel und einen Kater; die Söhne mußten mahlen, der Esel Getreide holen und Mehl forttragen, die Katze dagegen die Mäuse wegfangen. Als der Müller starb, teilten sich die drei Söhne in die Erbschaft: der älteste bekam die Mühle, der zweite den Esel, der dritte den Kater; weiter blieb nichts für ihn übrig.
Da war er traurig und sprach zu sich selbst: „Mir ist es doch recht schlimm ergangen, mein ältester Bruder kann mahlen, mein zweiter auf seinem Esel reiten - was kann ich mit dem Kater anfangen? Ich laß mir ein Paar Pelzhandschuhe aus seinem Fell machen, dann ist's vorbei." „Hör," fing der Kater an, der alles verstanden hatte, „du brauchst mich nicht zu töten, um ein Paar schlechte Handschuhe aus meinem Pelz zu kriegen; laß mir nur ein Paar Stiefel machen, daß ich ausgehen und mich unter den Leuten sehen lassen kann, dann soll dir bald geholfen sein."
Der Müllersohn verwunderte sich, daß der Kater so sprach, weil aber eben der Schuster vorbeiging, rief er ihn herein und ließ ihm die Stiefel anmessen. Als sie fertig waren, zog sie der Kater an, nahm einen Sack, machte dessen Boden voll Korn, band aber eine Schnur drum, womit man ihn zuziehen konnte, dann warf er ihn über den Rücken und ging auf zwei Beinen, wie ein Mensch, zur Tür hinaus.
Damals regierte ein König im Land, der aß so gerne Rebhühner: es war aber eine Not, daß keine zu kriegen waren. Der ganze Wald war voll, aber sie waren so scheu, daß kein Jäger sie erreichen konnte. Das wußte der Kater, und gedachte seine Sache besserzumachen; als er in den Wald kam, machte er seinen Sack auf, breitete das Korn auseinander, die Schnur aber legte er ins Gras und leitete sie hinter eine Hecke. Da versteckte er sich selber, schlich herum und lauerte. Die Rebhühner kamen bald gelaufen, fanden das Korn - und eins nach dem andern hüpfte in den Sack hinein. Als eine gute Anzahl drinnen war, zog der Kater den Strick zu, lief herbei und drehte ihnen den Hals um; dann warf er den Sack auf den Rücken und ging geradewegs zum Schloß des Königs.
Die Wache rief. "Halt! Wohin?" - „Zum König!" antwortete der Kater kurzweg. „Bist du toll, ein Kater und zum König?" - „Laß ihn nur gehen," sagte ein anderer, „der König hat doch oft Langeweile, vielleicht macht ihm der Kater mit seinem Brummen und Spinnen Vergnügen." Als der Kater vor den König kam, machte er eine tiefe Verbeugung und sagte: „Mein Herr, der Graf" - dabei nannte er einen langen und vornehmen Namen - „läßt sich dem Herrn König empfehlen und schickt ihm hier Rebhühner"; wußte der sich vor Freude nicht zu fassen und befahl dem Kater, soviel Gold aus der Schatzkammer in seinen Sack zu tun, wie er nur tragen könne: „Das bringe deinem Herrn, und danke ihm vielmals für sein Geschenk."
Der arme Müllersohn aber saß zu Haus am Fenster, stützte den Kopf auf die Hand und dachte, daß er nun sein letztes Geld für die Stiefel des Katers weggegeben habe, und der ihm wohl nichts besseres dafür bringen könne. Da trat der Kater herein, warf den Sack vom Rücken, schnürte ihn auf und schüttete das Gold vor den Müller hin: „Da hast du etwas Gold vom König, der dich grüßen läßt und sich für die Rebhühner bei dir bedankt."
Der Müller war froh über den Reichtum, ohne daß er noch recht begreifen konnte, wie es zugegangen war. Der Kater aber, während er seine Stiefel auszog, erzählte ihm alles; dann sagte er: „Du hast jetzt zwar Geld genug, aber dabei soll es nicht bleiben; morgen ziehe ich meine Stiefel wieder an, dann sollst du noch reicher werden; dem König habe ich nämlich gesagt, daß du ein Graf bist."
Am andern Tag ging der Kater, wie er gesagt hatte, wohl gestiefelt, wieder auf die Jagd, und brachte dem König einen reichen Fang. So ging es alle Tage, und der Kater brachte alle Tage Gold heim und ward so beliebt beim König, daß er im Schlosse ein- und ausgehen durfte. Einmal stand der Kater in der Küche des Schlosses beim Herd und wärmte sich, da kam der Kutscher und fluchte: „Ich wünsche, der König mit der Prinzessin wäre beim Henker! Ich wollte ins Wirtshaus gehen, einmal einen trinken und Karten spielen, da sollt ich sie spazierenfahren an den See."
Wie der Kater das hörte, schlich er nach Haus und sagte zu seinem Herrn: „Wenn du ein Graf und reich werden willst, so komm mit mir hinaus an den See und bade darin." Der Müller wußte nicht, was er dazu sagen sollte, doch folgte er dem Kater, ging mit ihm, zog sich splitternackt aus und sprang ins Wasser. Der Kater aber nahm seine Kleider, trug sie fort und versteckte sie.
Kaum war er damit fertig, da kam der König dahergefahren; der Kater fing sogleich an, erbärmlich zu lamentieren: „Ach! Allergnädigster König! Mein Herr, der hat sich hier im See zum Baden begeben, da ist ein Dieb gekommen und hat ihm die Kleider gestohlen, die am Ufer lagen; nun ist der Herr Graf im Wasser und kann nicht heraus, und wenn er sich noch länger darin aufhält, wird er sich erkälten und sterben." Wie der König das hörte, ließ er anhalten und einer seiner Leute mußte zurückjagen und von des Königs Kleider holen. Der Herr Graf zog dann auch die prächtigen Kleider an, und weil ihm ohnehin der König wegen der Rebhühner, die er meinte, von ihm empfangen zu haben, gewogen war, so mußte er sich zu ihm in die Kutsche setzen. Die Prinzessin war auch nicht bös darüber, denn der Graf war jung und schön, und er gefiel ihr recht gut.
Der Kater aber war vorausgegangen und zu einer großen Wiese gekommen, wo über hundert Leute waren und Heu machten. „Wem ist die Wiese, ihr Leute?" fragte der Kater. „Dem großen Zauberer." - „Hört, jetzt wird gleich der König vorbeifahren, wenn er wissen will, wem die Wiese gehört, so antwortet: dem Grafen; und wenn ihr das nicht tut, so werdet ihr alle erschlagen."
Der Kater ging noch weiter, die Leute sahen ihm alle nach, und weil er so wunderlich aussah, und wie ein Mensch in Stiefeln daherging, fürchteten sie sich vor ihm. Er kam bald an des Zauberers Schloß, trat keck hinein und vor diesen hin. Der Zauberer sah ihn verächtlich an, dann fragte er ihn, was er wolle. Der Kater verbeugte sich tief und sagte: „Ich habe gehört, daß du dich in jedes Tier ganz nach deinem Belieben verwandeln könntest; was einen Hund, Fuchs oder auch Wolf betrifft, da will ich es wohl glauben, aber von einem Elefant, das scheint mir ganz unmöglich, und deshalb bin ich gekommen, um mich selbst zu überzeugen."
Der Zauberer sagte stolz: „Das ist für mich eine Kleinigkeit," und war in dem Augenblick in einen Elefant verwandelt. „Das ist viel," sagte der Kater, „aber auch in einen Löwen?" - „Das ist auch nichts," sagte der Zauberer, dann stand er als Löwe vor dem Kater. Der Kater stellte sich erschrocken und rief: : „Das ist unglaublich und unerhört, dergleichen hätt ich mir nicht im Traume in die Gedanken kommen lassen; aber noch mehr, als alles andere, wär es, wenn du dich auch in ein so kleines Tier, wie eine Maus ist, verwandeln könntest. Du kannst gewiß mehr, als irgendein Zauberer auf der Welt, aber das wird dir doch zu hoch sein."
Der Zauberer ward ganz freundlich von den süßen Worten und sagte: „O ja, liebes Kätzchen, das kann ich auch," und sprang als eine Maus im Zimmer herum. Der Kater war hinter ihm her, fing die Maus mit einem Satz und fraß sie auf.
Der König aber war mit dem Grafen und der Prinzessin weiter spazierengefahren, und kam zu der großen Wiese. „Wem gehört das Heu?" fragte der König. „Dem Herrn Grafen," riefen alle, wie der Kater ihnen befohlen hatte. „Ihr habt da ein schön Stück Land, Herr Graf," sagte der König. Danach kamen sie an das große Kornfeld. „Wem gehört das Korn, ihr Leute?" - "Dem Herrn Grafen." - „Ei! Herr Graf! Große, schöne Ländereien!" - Darauf zu dem Wald: „Wem gehört das Holz, ihr Leute?" - „Dem Herrn Grafen." Der König verwunderte sich noch mehr und sagte: „Ihr müßt ein reicher Mann sein, Herr Graf, ich glaube nicht, daß ich einen so prächtigen Wald habe."
Endlich kamen sie an das Schloß, der Kater stand oben an der Treppe, und als der Wagen unten hielt, sprang er herab, machte die Türe auf und sagte: „Herr König, Ihr gelangt hier in das Schloß meines Herrn, des Grafen, den diese Ehre für sein Lebtag glücklich machen wird." Der König stieg aus und verwunderte sich über das prächtige Gebäude, das fast größer und schöner war als sein Schloß; der Graf aber führte die Prinzessin die Treppe hinauf in den Saal, der ganz von Gold und Edelsteinen flimmerte.
Da ward die Prinzessin mit dem Grafen versprochen, und als der König starb, ward er König, der gestiefelte Kater aber erster Minister.